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Der Hintergrund

Errichtung einer Gedenkstätte, ein steiniger Weg

Seit dem Jahre 2000 wurde der Versuch unternommen, eine Gedenkstätte zu errichten. Die Schwierigkeiten, unter denen diese Gedenkstätte errichtet wurde, stehen in einer Tradition. Wir danken allen, die als Pioniere vor uns dieses Anliegen auf dem Herzen trugen.


Brief von H.-P. Kehl vom 25. September 2010

An die Herren
J. Czwalina und J. Rudolf Geigy
4125 Riehen


Gedenkstätte an die Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg

Sehr geehrter Herr Czwalina, sehr geehrter Herr Geigy

Zuerst möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken für die Errichtung einer Gedenkstätte die an die vielen Menschen, welche wegen der damaligen Flüchtlingspolitik der Schweiz getötet wurden, erinnert.

Als Grossrat habe ich 1997 einen Anzug eingereicht, der das gleiche Anliegen, wie Sie es jetzt realisieren, anregte.

Die Antwort der Regierung aus dem Jahre 2000 klingt zwar positiv, aber die Kunstkreditkommission wies alle eingereichten Vorschläge diverser Künstler und Künstlerinnen zurück und darum wurde nichts realisiert.

Nehme an, dass auch Sie von Alt- und Neonazis beschimpft wurden. Ich führte erfolgreich mit einem Altnazi einen Prozess bis vors Appellationsgericht. Nach der Verurteilung des Altnazis wurde ich nicht mehr beleidigt.

Ganz herzliche Grüsse

Ihr Hanspeter Kehl

Anzug 1997
Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt Nr. 0519 ED/975396

an den Grossen Rat

Regierungsratsbeschluss
vom 25. Januar 2000


Anzug Hanspeter Kehl betreffend Mahnmal für im Zweiten Weltkrieg abgewiesene Flüchtlinge und Ehrenmal für Menschen, welche im Zweiten Weltkrieg den Flüchtlingen halfen.

Der Grosse Rat hat in seiner Sitzung vom 16. April 1997 nachstehenden Anzug Hanspeter Kehl dem Regierungsrat überwiesen:

"In der Diskussion um die in Schweizer Banken liegenden erblosen Vermögen von Opfern des Naziregimes könnte der Kanton Basel-Stadt ein positives Zeichen setzen. Das von Lukrezia Seiler und Jean-Claude Wacker im Verlag z'Rieche herausgebrachte Buch "Fast täglich kamen Flüchtlinge" beschreibt die damalige Situation im Kanton Basel-Stadt sehr genau und zeigt auch auf, wie schon damals sich der Kanton Basel-Stadt humaner verhalten hat als die Eidgenossenschaft.

So schreibt Professor Dr. Ernst Ludwig Ehrlich im Vorwort zu vorgenanntem Buch: "Konnte anfangs noch angenommen werden, bei den Massnahmen der Nationalsozialisten handle es sich nicht um eine Frage von Leben und Tod, so war spätestens im Jahre 1942 dem Bundesrat absolut klar, dass alle im deutschen Reich sich befindenden Juden zur Ermordung bestimmt waren. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Flüchtlingspolitik des Bundesrates antisemitische Gesinnungen zugrunde lagen. Schon sehr früh wandte man sich ‚gegen eine Festsetzung wesensfremder Elemente', und vollends wird diese Haltung deutlich, wenn man den Anteil des Bundesrates am berüchtigten ‚J-Stempel' in den deutschen Pässen von Juden in Rechnung setzt. Dabei hatte zu jener Zeit die Schweiz nicht mehr als insgesamt 5000 Flüchtlinge. Die eindeutige Haltung des Bundesrates wurde durch die gesamte Terminologie deutlich, wenn man sich etwa gegen ‚die Verjudung der Schweiz' wandte.
Es ist erfreulich, dass sich die Situation in Basel nicht gar so schlecht darstellt. Regierungsrat Brechbühl weigerte sich nicht selten, Ausweisungsbefehle von Bern durchzuführen. Auch die Haltung der Riehener und Bettinger Bevölkerung war nicht eindeutig; es gab einzelne wahre Judenretter darunter. Gleichwohl wurde diese manchmal von anderen boykottiert oder an Behörden verraten.
Bei Kriegsbeginn gab es 7100 Flüchtlinge in der Schweiz. Die Massnahmen wurde dann verschärft. Juden galten nicht als politische Flüchtlinge, von denen es während des ganzes Krieges im übrigen nur zweihundert gab, denn Juden wurden als ‚Flüchtlinge nur aus Rassegründen' definiert und sollten daher zurückgewiesen werden. Diese Massnahmen wurden erst ausser Kraft gesetzt als am 12. Juli 1944 der Sieg der Alliierten endgültig feststand. Auch osteuropäische Flüchtlinge, vor allem Zwangsarbeiter, wurden an der Schweizergrenze zurück-gewiesen; für diese wurden die Einreisebedingungen später gelockert.
Erfreulicherweise hat sich auch während des Krieges der Kanton Basel-Stadt nach Möglichkeit gegen die eidgenössische Fremdenpolizei gestellt und 1158 jüdischen Flüchtlingen während des Zweiten Weltkrieges ein Refugium geboten. Freilich wird man nicht umhin können, festzuhalten, dass auch im Kanton Basel-Stadt während der ganzen Kriegszeit Flüchtlinge abgewiesen wurden; die Zahl der an den Riehener und Bettinger Grenzen abgewiesenen Flüchtlinge lässt sich nicht mehr feststellen."
Für seine damalige antisemitische Haltung hat sich der Bundesrat entschuldigt; es ist nun an der Zeit, mit einem Mahnmal der Opfer zu gedenken, welche durch die damalige Politik an den Grenzen des Kantons Basel-Stadt abgewiesen und in den Tod getrieben wurden.
Gleichzeitig sollen aber auch jene Frauen und Männer geehrt werden, die sich gegen die Weisungen der eidgenössischen Fremdenpolizei stellten und so das Leben vieler Menschen retteten.

Ich bitte darum den Regierungsrat zu prüfen und zu berichten, ob in Zusammenarbeit mit dem Kunstkredit ein Wettbewerb für die Schaffung eines Mahnmals für die abgewiesenen Flüchtlinge des Zweiten Weltkrieges und eines Ehren-Mahnmals für die Menschen, welche den Flüchtlingen Hilfe leisteten, ausgeschrieben werden kann; ob das Mahn- und Ehrenmal allenfalls auf St. Chrischona am Weg nach Rührberg platziert werden kann, weil der Kirchturm der St. Chrischona vielen Flüchtlingen als Orientierungspunkt diente."

Wir beehren uns, zum Anzug wie folgt zu berichten:

Der Regierungsrat ist sich der Brisanz der Diskussion um die Haltung der Eidgenossenschaft während des Zweiten Weltkrieges bewusst. Zentrale Punkte in dieser Diskussion bilden zum einen die Thematik um die in der Schweiz liegenden erblosen Vermögen von Opfern des Naziregimes und zum andern diejenige über an der Grenze abgewiesene Flüchtlinge. Die Schweiz forderte mit den Forschungen der Bergier-Kommission und dem Suchprozess des Volcker-Komitees bei den Schweizer Banken nach nachrichtenlosen Vermögen Wahrheit und Gerechtigkeit. Die in diesem Zusammenhang für viele Schweizerinnen und Schweizer nicht einfachen Diskussionen können dem kritischen Selbstverständnis des Landes nicht Schaden zufügen. Die Thematik um die an der Schweizer Grenze abgewiesenen Flüchtlinge betrifft insbesondere die Grenzkantone, wie zum Beispiel den Kanton Basel-Stadt.

Bildende Kunst kann eine wichtige Rolle in der Aufarbeitung der Geschichte spielen. Sie kann zwar nicht allein, losgelöst von einem gesamtpolitischen Kontext, Verantwortung in der Sache übernehmen. Jedoch soll sie ein Teil einer allgemeinen Diskussion sein, in der die Aufarbeitung der Geschichte die Grundlage für das Handeln von heute und morgen zeigt. Die Diskussion, die in den letzten Jahren in Berlin um ein Mahnmal für die Opfer des Holocaust entbrannt ist, beweist, das der Kunst in diesem Zusammenhang eine wichtige Funktion zusteht. Auch in der Region Basel ist eine solche Diskussion sinnvoll. Die Schaffung eines Mahnmals für die abgewiesenen Flüchtlinge des Zweiten Weltkrieges und eines Ehren-Mahnmals für die Menschen, welche den Flüchtlingen Hilfe leisteten, würde nicht nur bedeuten, Vergangenes zu ehren, sondern vor allem aus der heutigen Zeit das Geschehene zu thematisieren und aufzuarbeiten. Der Regierungsrat hat deshalb die Kunstkreditkommission beauftragt, die formellen und inhaltlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung eines Wettbewerbs für die Schaffung eines Mahnmals zu prüfen.

Dem vorgeschlagenen Standort auf St. Chrischona am Rührberg steht grundsätzlich nichts entgegen. Bei der definitiven Festlegung des Standortes müssen sicher noch die zuständigen Fachstellen im Rahmen eines Zirkularverfahrens angehört werden.

Mit Bezug auf unsere vorstehenden Erwägungen beantragen wir Ihnen, diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen und den Anzug Hanspeter Kehl abzuschreiben.

Basel, den 26. Januar 2000  

IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES
     Der Präsident:
     gez. Dr. Hans Martin Tschudi
   
Der Staatsschreiber:
     gez. Dr. Robert Heuss


 
 
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